Heimatgeschichte - Teil 2
Die Rückkehr des Kronprinzen - Als das Westgeld kam, blieben die Gäste aus
Geschichte eines Traditionslokals (Teil 2)
FALKENSEE - Die erste Speisekarte war überschaubar: Kartoffelsalat, Bockwurst, Schnitzel. Damit fingen Conny Henkel und ihr Bruder am 1. August 1972 an. Sie war von nun an Leiterin des „Keglerheims“ an der Friedrich-Engels-Allee 127, einer HO-Gaststätte. Conny Henkel, damals 28 Jahre jung, Mutter eines kleinen Sohnes und mit der Tochter hochschwanger, hatte zuvor die Bar im „Vier Jahreszeiten“ am Bahnhof Finkenkrug geführt. Nachts, wenn der Kleine schlief. Als das Lokal dann dicht gemacht wurde, sah sie sich nach etwas Neuem um und wurde im „Keglerheim“ fündig, das als Hotel „Kronprinz“ noch in der Kaiserzeit begründet worden war.
„Wir hatten von 16 bis 24 Uhr geöffnet. Früh ging ich kochen, am Nachmittag an den Tresen“, schildert die Hotelchefin ihren Start. Wie kriegt man den Laden in Schwung? Der Saal, hieß es, sei baupolizeilich gesperrt. Also nix mit Schwof. Bei Lichte besehen sah er allerdings kerngesund aus. Die junge Frau heuerte Experten an und die befanden: Alles okay. Der Vorgänger hatte wohl keine Lust auf Ringelpietz bis zum frühen Morgen.
Das Haus war fortan immer voll, mit Hochzeits- und Jugendweihegesellschaften, feiernden Brigaden und Betriebskollektiven, mit Laufkundschaft und Tanzfreudigen jeden Alters. Und natürlich mit Kegelbrüdern und -schwestern. Das Lokal mit den beiden Kegelbahnen im Flachbau hinterm Haus hatte also keine Not mit der Quote.
So richtig brummte der Laden in der Wendezeit, insbesondere nach der Öffnung der Grenze. Hier konnten die Gäste „von drüben“ billig und gut speisen, denn längst war die Kartoffelsalat-Bockwurst-Monokultur Geschichte. „Wir waren von der HO angehalten, Westgeld anzunehmen – 1:1“, erinnert sich Conny Henkel jener verrückten Zeit. Die Gastwirtschaft mauserte sich zur reinsten Wechselstube. Doch bei der HO-Spitze kam kaum noch was vom harten Gelde an.
Und dann, als es die Westmark endlich für alle gab, an jenem 1. Juli 1990, saß sie mit ihrem Personal allein in einer gähnend leeren Gaststube. Die Leute hielten ihr Geld zusammen. Wer wollte die harte D-Mark in einer Wirtschaft verschleudern, wo man sich dafür doch ganz andere Träume erfüllen konnte? Vorausgesetzt, man hatte genug davon.
Conny Henkel hätte 1,5 Millionen gebraucht. Nur wenn sie bereit wäre, diese Summe in den Ausbau des Hauses zu investieren, hätte ihr die Stadt Falkensee das Anwesen in Erbbaupacht überlassen. Denn die HO war tot, die Alteigentümerfamilie Haacke ausgestorben und das Haus somit von der Treuhand der Kommune zugeordnet worden. Die spreizte sich eine Weile und gab dann doch dem Drängen der tüchtigen Wirtin nach, die es kaufen wollte. Mit geborgtem Geld. „Ich hatte von dem Kreditwesen null Ahnung und so gesehen riesiges Glück“, befindet Conny Henkel heute im Rückblick. Zehn Banken ließen sie im Regen stehen, die elfte gewährte ihr Kredit.
Damit ließ sie das Haus umkrempeln und wieder zu einem gepflegten Hotel ausbauen, natürlich mit allen Segnungen der neuen Zeit. Und weil die Kegelbahn verschlissen und die Zeit des Bowlings längst angebrochen war, wurde das Vehikel ausrangiert und machte weiteren Gästezimmern Platz. Damit war das noble Haus reif, sich wieder auf seinen Ur-Namen, den „Kronprinz“, zu besinnen. Was die Inhaberin insgeheim für sich bereits beschlossen hatte, ließ sie sich zur rauschenden Eröffnungsparty im Sommer 1995 von ihrem Publikum demokratisch per Abstimmung legitimieren. Schließlich war sie nun Bürgerin der Bundesrepublik, einer Demokratie. Und die hat für Prinzen aller Art nur noch folkloristische Verwendung. (Von Hiltrud Müller)
Quelle: Märkische Allgemeine / havelländer vom 09.01.2010